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Vespa velutina

Artenmanagement invasiver Arten

Einleitung

Die asiatische Hornisse Vespa velutina wurde 2014 in Frankreich eingeschleppt und hat sich seither in Europa nach Deutschland, Italien, Portugal, Spanien sowie in die Beneluxländer und in die Schweiz ausgebreitet. Zudem wurde aktuell das Auftreten der asiatischen Hornisse in Ungarn und in der Tschechischen Republik bestätigt. In der EU wurde Vespa velutina mit den EU-Verordnungen 1143/2014 und 1141/2016  als invasive Art unionsweiter Bedeutung eingestuft, die es zu bekämpfen gilt. Diese Einstufung durch die Politik setzt bereits voraus, dass die eingeschleppte Hornissenart ein problematischer Schädling ist.

Neben ökologischen Schäden, Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Stiche und Schäden im Frucht- und Weinanbau verursacht Vespa velutina vor allem wirtschaftliche Schäden in der Imkerei. Diesen Sektor belasten bereits Bienenkrankheiten, Klimawandel und billige Honigimporte. Eine umfangreiche Unterstützung der europäischen Imkerei im Kampf gegen Vespa velutina blieb auf EU-Ebene bislang jedoch aus.

Die verursachten Schäden durch Vespa velutina im Imkereisektor sind bislang leider kaum beziffert worden. Auf dieses Problem verweist auch eine Studie, die im Auftrag der Welt-Tiergesundheit-Organisation erstellt wurde (Espinosa et al. 2019). Sie kommt aber zu folgendem Schluss: „Obwohl es nur wenige quantitative Daten gibt, sind die Auswirkungen dieser Hornissenart auf den Bienenzuchtsektor unbestreitbar. Ein Beweis für diese Besorgnis sind die zahlreichen Initiativen, die in den betroffenen Ländern zur Bekämpfung dieser Hornissenart ins Leben gerufen wurden.“ Auch die gemeinnützige zwischenstaatliche Entwicklungs- und Informationsorganisation CABI kommt zu dem Fazit, dass Vespa velutina einen negativen Einfluss auf den landwirtschaftlichen Bereich hat, dem die Imkerei angehört (Bunker 2019). Die bislang veröffentlichten Daten zu Schäden und Kosten werden im Folgenden zusammengefasst:

Bekämpfungskosten

Einer Schätzung aus dem Jahr 2020 zufolge, steigen die jährlichen Kosten in Frankreich allein für die Entfernung von Hornissennestern auf 11,9 Mio. Euro. Für Deutschland liegt die Schätzung bei über 5 Mio. Euro, wenn Vespa velutina alle klimatisch begünstigten Bereiche besiedelt hat (Barbet-Massin et al. 2020). In Spanien steht Vespa velutina hinsichtlich verursachter Kosten an achter Stelle unter den invasiven Arten. Dort betragen die geschätzten Bekämpfungs-Kosten jährlich 5 Mio. Euro (Angulo et al. 2021). Die Bekämpfung vor allem durch das Entfernen von Nestern ist wesentlich, um Schäden durch die invasive Art zu vermeiden.

Als positive Beispiele einer rigorosen und effektiven Bekämpfung seien Großbritannien und Mallorca genannt. In Großbritannien konnte trotz mehrerer Sichtungen eine Etablierung der asiatischen Hornisse bislang verhindert werden (GB Non-native Species Secretariat 2023). Erst in diesem Jahr scheint sich Vespa velutina dort in der südöstlichen Spitze etabliert zu haben. Auf Mallorca konnte die Population durch konsequentes Handeln, die Einrichtung interdisziplinärer Aktionsgruppen und den Einbezug der Öffentlichkeit wieder ausgerottet werden (Leza et al. 2021).

Völkerverluste in der Imkerei

Es liegen Berichte von Imkereien und regionalen Verbänden aus Frankreich vor, die Völkerverluste von 30-80 % sowie eine geringere Honigproduktion durch Vespa velutina aufführen. Der französische Imkerverband UNAF gab für 2010 an, dass 30 % der Völker im Departement Gironde durch Vespa velutina zerstört oder geschwächt worden waren (Monceau et al. 2014). Eine Studie der Universität von Turin wies nach, dass in den Teilen Liguriens, in denen Vespa velutina nicht kontrolliert wurde, die Wintersterblichkeit der Bienenvölker um 18 % anstieg (Laurino et al. 2019).

Die Auswirkungen hängen stark von der Größe der Hornissenpopulation in der Umgebung einer Imkerei ab. Die Verluste entstehen dabei meist weniger durch das direkte Abfangen von Honigbienen

an den Fluglöchern der Bienenbeuten als vielmehr durch den Stress, den hoher Hornissendruck auf die Bienenvölker verursacht. Er führt zur sogenannten Flugparalyse: die Völker stellen die Sammelflüge ein und hören auf zu brüten. Dabei fällt die Zeit des höchsten Hornissendrucks in die Zeit der Winterbienen-Aufzucht. Entsprechende Effekte auf Westliche Honigbienen Apis mellifera wurden auch in China durch die Farbvariante Vespa velutina auraria festgestellt (Dong et al. 2023). Während die Präsenz der Hornissen, die Volksentwicklung der heimischen Apis cerana kaum beeinflusste, wurden die Völker der Westlichen Honigbiene immer schwächer und gingen schließlich ein. Die Eilegerate der Königin nahm innerhalb von einer Woche nach Beginn des Befluges bereits um 16 % ab. Nach sechs Wochen lag sie 96 % niedriger. Das Phänomen der „Ökologie der Angst“, die den Fortpflanzungserfolg einschränkt, ist auch von anderen Tierarten her bekannt (Brown et al. 1999). In der Folge nimmt die Wahrscheinlichkeit von Winterverlusten zu, da den Völkern eine ausreichende Pollenversorgung und genügend Winterbienen fehlen (Requier et al. 2019). Einer Modellierung mit BEEHAVE auf Basis von Daten von Nest- und Bienenvölkern zufolge gehen in Frankreich bei geringem Hornissendruck auf nationaler Ebene 2,6 % aller Völker verloren, bei hohem Druck 29,2 %. (Requier er al. 2020).

Kosten für die Imkerei

Die Modellierung mit BEEHAVE (Requier et al. 2020) kommt für Frankreich zu einem landesweiten Schaden von 30,8 Mio. Euro bei hohem Hornissendruck und auf 2,8 Mio. Euro bei geringem Druck. Die Einkommensbußen der Imkereien liegen bei 2,4 % beziehungsweise 26,6 %. Bei der Berechnung wurden allerdings lediglich 100 Euro pro Volk berechnet. Der reale Wert liegt hingegen eher bei 300 Euro und höher. Zudem wurden lediglich Kosten für den Ersatz eingegangener Völker berücksichtigt. Honigverluste wurden nicht einkalkuliert. Dabei können gestresste Bienenvölker keinen Honig mehr aus Spättrachten produzieren. Zudem stehen Völker, die im Winter als Folge der sommerlichen Flugparalyse eingehen, im Frühling nicht zur Produktion des Frühjahrshonig bereit. Eine Studie in Spanien (Ferreira-Golpe et al., 2018) ergab, dass dortige Imkereien 20 % des Wertes ihrer Produktion für die Bekämpfung von Vespa velutina einsetzen müssen.

Ökologische Schäden

Da ein durchschnittliches Nest von Vespa velutina in einer Saison elf Kilogramm Insekten und Spinnen verzehrt – die größeren Nester schaffen die doppelte Menge (Rome et al. 2021) –, ist ein gewisser ökologischer Schaden durch die invasive Art wahrscheinlich. Dies ist auch im Lichte der großen Populationsdichten zu betrachten, die entstehen können. So wurden aus Frankreich Nestdichten von bis zu zwölf Nestern pro Quadratkilometer berichtet (Monceau & Thiery 2017).

Einen Einfluss auf die Bestäubung haben zwei Studien aus Spanien aufgezeigt. In einer Untersuchung führte die natürliche Anwesenheit von asiatischen Hornissen an Pflanzenbeständen dazu, dass die Blüten seltener von Honigbienen, Hummeln und anderen Bestäubern besucht wurden. Dies hatte einen negativen Einfluss auf die Bestäubung dieser Blüten (Rojas-Nossa & Calviño-Cancela 2020). Bei Efeu wurde eine reduzierte Samenzahl in den Früchten festgestellt, wenn Vespa velutina die Bestäuber störte (Rojas-Nossa et al. 2023).

Asiatische Hornissen greifen zudem Hummelkolonien an. Zwar sind sie beim Fangen von Hummeln durchgängig erfolglos, jedoch scheint ein Beflug eines Hummelnestes dazu zu führen, dass dieses weniger an Gewicht zunimmt (O‘Shea-Wheller et al. 2023). Die genauen potenziellen Auswirkungen auf Hummelpopulationen sind allerdings noch unbekannt.

Schäden im Frucht- und Weinbau

Über Schäden im Frucht- und Weinbau liegen zwar keine quantifizierenden wissenschaftlichen Arbeiten vor, dafür aber persönliche Berichte sowie Berichte im Internet aus betroffenen Gebieten, beispielsweise über Schäden im Weinbau im spanischen Galicien, im Obstbau und im Erdbeeranbau in Frankreich. Laut Dr. Xesús Feás von der Academia de Ciencias Veterinarias de Galicia ist Vespa velutina in der Trauben- und Weinindustrie Galiciens aufgrund ihrer Häufigkeit ein größerer Schädling als andere Wespen (persönliche Mitteilung). Die Tiere können laut Feás zum vollständigen Verlust der Ernte führen. Ein großes Problem seien vor allem Stiche während der Ernte. Ähnlich äußert sich Marco Portocarrero, Vorsitzender des Vereins NATIVA, der sich mit der Bekämpfung invasiver Arten in Portugal befasst. Dort seien Probleme mit Vespa velutina im Anbau von Feigen, Birnen, Äpfeln und Beeren bekannt. Ein großes Problem sei auch hier die Sicherheit der Erntehelfer, da die Zahl der asiatischen Hornissen in den Plantagen zur Erntezeit sehr hoch sein könne (persönliche Mitteilung).

Gefahren für die menschliche Gesundheit

Sowohl aus Spanien (Videl et al. 2021) als auch aus Portugal (Caldeira et al. 2023) berichten Ärztinnen und Ärzte von zunehmenden Fällen anaphylaktischer Schocks nach Stichen von Vespa velutina. Stiche von Vespa velutina sind inzwischen die häufigste Ursache für allergische Reaktionen nach Stichen von Hautflüglern; sie machen 75 % dieser Fälle aus. Dabei berichtet die Mehrzahl der Betroffenen, dass sie zum ersten Mal von einer asiatischen Hornisse gestochen worden waren. Die Allergie hatte sich folglich nach dem Stich einer Wespe oder einer Biene entwickelt. Die überschießende Reaktion wurde dann durch einen Stich von Vespa velutina ausgelöst. Während 2015 noch 60 % der Anaphylaxie-Patienten in Spanien mit Honigbienen-Gift therapiert wurden, erhielten vier Jahre später schon 68 % der Patienten Wespengift zur sogenannten Desensibilisierung. Außerdem hatte sich die Gesamtzahl der Patienten, die eine Therapie erhielten, verdoppelt. Untersuchungen zeigten, dass sich Allergien auf Gift von Vespa velutina auch gut durch einen sogenannten Pricktest mit Wespengift nachweisen lassen. Das Wespengift kann daher auch zur Therapie eingesetzt werden. Inzwischen steht jedoch auch Gift von Vespa velutina für ärztliche Behandlungen zur Verfügung.

Die Zahl der jährlichen Todesfälle aufgrund eines anaphylaktischen Schocks nach einem Stich der asiatischen Hornisse lagen in Galicien zwar im einstelligen Bereich, aber dennoch deutlich über den statistisch zu erwartenden Zahlen. Dies wertet unter anderem die Allergie-Abteilung der Medizinschule in Santiago de Compostela als alarmierendes Zeichen (Vidal et al. 2021). Die bisherigen Daten lassen jedoch keine Aussage darüber zu, ob Anaphylaxie nach einem Stich von Vespa velutina häufiger auftritt als nach Stichen anderer Hautflügler-Arten. Möglicherweise ist die gestiegene Fallzahl auch in häufigeren Stichen durch Vespa velutina begründet.

Dr. Sebastian Spiewok
Deutscher Imkerbund e.V.
sebastian.spiewok@imkerbund.de

Stand: 14.11.2023

Literatur

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